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Besonderer Abschluss der Branchenkonferenz der FILM COMMISSION MV - Diskussion zum Serienhype

Diskutierten über den Serienhype und "Babylon Berlin": Carolin Haasis (ARD Degeto), Ralf Polle (X Filme Creative Pool) und Moderator Ralph Fürther (Sky Deutschland).

Zum Abschluss der 3. Film-und Medienkonferenz im Rahmen des 27. FILMKUNSTFESTs MV gab es am Donnerstag mit der Diskussion über Serien im Allgemeinen und "Babylon Berlin" im Speziellen ein spektakuläres Highlight. Hier die Zusammenfassung...

Deutschland im Serienfieber – Modeerscheinung oder Dauerzustand?

Präsentation erster Clips der Serie BABYLON BERLIN auf der Branchenkonferenz – mit Unterstützung von Sky Deutschland Service Center 

„Ein filmisches Ereignis der Extraklasse“ nennt es Volker Herres, der Programmdirektor des Ersten Deutschen Fernsehens-ARD; von einem TV-Ereignis, das „in seiner Machart und Erzählweise die Serienlandschaft in Deutschland verändern wird“, spricht der Vorsitzende der Geschäftsführung von Sky Deutschland, Carsten Schmidt. Gemeint ist die sechzehnteilige Serie „Babylon Berlin“, die schon wegen ihres Charakters als erste Gemeinschaftsproduktion zwischen öffentlich-rechtlichem und privatem Fernsehen eine Sonderstellung einnimmt. Und auch wenn die Beteiligten über die genauen Kosten vornehmes Stillschweigen bewahren, so darf man doch annehmen, dass es sich um die aufwendigste und teuerste Serie in der Geschichte des deutschen Fernsehens handelt.

„Babylon Berlin“ erzählt auf Basis der international erfolgreichen Bestseller-Reihe von Volker Kutscher um Kommissar Gereon Rath im Berlin der 1920er Jahre das ganze Panoptikum der aufregendsten Stadt der Welt zwischen Drogen und Politik, Mord und Kunst, Emanzipation und Extremismus. Die Autoren und Regisseure Tom Tykwer, Henk Handloegten und Achim von Borries zeichnen für die Serie verantwortlich.

Realisiert worden wäre das Mammutprojekt (über drei Jahren Vorarbeit an den Drehbüchern, 180 Drehtage zwischen Mai bis Dezember 2016 in Berlin, Brandenburg und Nordrhein-Westfalen) wohl kaum, wenn es nicht einen regelrechten Hype um hochwertig produzierte Serien gäbe, die mittlerweile zur größten Konkurrenz des Kinofilms avanciert sind. Die aktuelle Entwicklung war Gegenstand des fünften und letzten Panels bei der Branchenkonferenz der FILM COMMISSION. Ralph Fürther, Pressesprecher von Sky Deutschland, führte nach einem Grußwort der Geschäftsführerin des Sky-Standortes Schwerin, dem Service Center, Daniela See, humorvoll-spritzig und sachkundlich durch die aufschlussreiche Veranstaltung, bei der die Serie „Babylon Berlin“ im Fokus stand, aber das Phänomen der noch immer zunehmenden Serienballung auch in allgemeiner Hinsicht reflektiert wurde. Fürther wies eingangs darauf hin, dass seit ungefähr fünf Jahren immer mehr Anbieter auf immer mehr Kanälen ein wahres Feuerwerk an sogenannten ‚Qualitätsserien‘ abbrennen würden – derzeit seien bis zu 500 Serien weltweit in Produktion.

Michael Polle von X Filme Creative Pool GmbH München und Carolin Haasis, zuständige Redakteurin bei der ARD-Produktionsfirma Degeto, die beide mithalfen, dass „Babylon Berlin“ realisiert wurde, waren eigens nach Schwerin gereist, um über die Entstehungsgeschichte der Serie zu berichten. Beide sagten übereinstimmend, dass der Serienhype „einen erhöhten Konkurrenzdruck“ zur Folge habe, bei der Anbieter sich auf internationalem Parkett nicht mit halbherzigen Ansätzen begnügen könnten. Entscheidend sei, dass eine Serie „einen eigenen Blickwinkel der Kreativen“ transportiere, betonte Carolin Haasis. Eine „eigene Identität“ müsse erkennbar sein, die Serie müsse im Vergleich mit internationalen Konkurrenzserien „einen unverwechselbaren Zuschnitt haben“, so Haasis: „Inzwischen gibt es auch in Europa immer mehr Auswertungsmodalitäten für Serien als noch vor einigen Jahren. Aber auch der Konkurrenzdruck, bei ‚Qualitätsserien‘ mithalten zu können, ist gestiegen.“  

Michael Polle verwies darauf, dass die deutsche Sprache – ebenso wie andere nationale Sprachen – für die Exportfähigkeit nicht automatisch ein Nachteil sein muss, sondern zum besonderen Charakter einer nationalen Serie dazu gehöre. Deshalb habe man sich mit den Autoren von „Babylon Berlin“ auch früh entschlossen, die Serie komplett auf Deutsch zu drehen. Auch sei der Serienhype genuin kein Phänomen, das deutschen Produzenten fremd wäre. Man habe hierzulande z.B. mit Familienserien wie der „Schwarzwaldklinik“ und den ZDF-Freitagsabendkrimis wie „Derrick und „Der Alte“ über Jahrzehnte bewiesen, dass man exportfähige Serien herstellen kann, so Polle. Nur habe sich auch die Wahrnehmung von Serien im Kontext der neuen, digital geprägten Medienlandschaft stark geändert:  Der Trend, dass Kreative sich verstärkt dem Format Serie zuwenden, wo sie Geschichten ausführlicher erzählen können, habe auch mit dem Absterben des Arthouse-Kinos zu tun, meinte Michael Polle. Die Sehgewohnheiten seien inzwischen zunehmend horizontal, d.h. die Zuschauer schauen mehrere Staffeln hintereinanderweg in Blöcken anstatt hin und wieder eine Folge wie noch in der vom linearen TV geprägten Vergangenheit.

In Bezug auf das Mammutprojekt „Babylon Berlin“ meinte Ralph Fürther, dass er selbst es vor fünf Jahren nicht für möglich gehalten hätte, das eine solch ambitionierte Serie gemeinsam von Sky, Das Erste und ARD Degeto realisiert werden würde. Michael Polle verwies darauf, dass die Zielstellung, etwas Besonderes zu schaffen, dass so nur in Deutschland produziert werden kann, die Gräben zwischen den Beteiligten schnell zugeschüttet habe. Was Tom Tykwer und die anderen bei X-Filme präsentiert haben, versprach etwas Besonderes zu werden, weil die Drehbücher viele zeithistorische Facetten und eine für Deutschland entscheidende Epoche behandeln.

„Babylon Berlin“ zeigt Menschen aus allen damaligen Gesellschaftsschichten und ergibt ein Panoptikum der Zwischenkriegs-Ära mit Figuren, die ganz unterschiedliche Hintergründe und Probleme haben, so Polle über den dramaturgischen Zuschnitt der Serie. Die drei kreativen Visionäre, nämlich die drei Drehbuchautoren und Regisseure Tom Tykwer, Hendrick Handloegten und Achim von Borries, präsentierten zunächst bei X-Filme ihren Entwurf einer Umsetzung des ersten Buches der literarischen Vorlage, der in seiner Ausführlichkeit bereits die Grenzen einer üblichen Miniserie überschritt, so Polle. Daher war auch schon bei den ersten Gesprächen klar, dass sich die Ambitionen der Autoren/Regisseure nur würden umsetzen lassen würden, wenn die Produktion aus mehreren Quellen finanziert wird.

Carolin Haasis berichtete, dass sie sich als einzige Frau in der großen Runde der Produzenten und Kreativen schon etwas merkwürdig gefühlt habe. Aber dies war letztlich so wenig hinderlich für ein konstruktives Miteinander wie die hohe Zahl der Beteiligten, die sich bei den Abstimmungen immer zielgeleitet verhalten hätten – erst recht, als dann Zeitdruck aufkam.

Auch Michael Polle sprach in Schwerin von einer sehr fruchtbaren Zusammenarbeit, insbesondere auch der drei Kreativen Tykwer, Handloegten und von Borries untereinander. Sie waren es, die mit ihrer Überzeugungskraft die Planungen ins Rollen brachten und die alle drei jeweils an jeder einzelnen Szene jeder Serienfolge mitgeschrieben und sich dabei gegenseitig angespornt haben. Das Resultat wurde dann noch einmal größer als das, was die drei zusammen geplant hatten.

Die Besucher der Schweriner Branchenkonferenz kamen dann – als zweite Gruppe nach einigen ausgewählten Journalisten anlässlich der Berlinale im Februar 2017 – in den Genuss, sowohl einen ausführlichen Trailer zur Serie als auch einen mehrminütigen Clip mit Produktionshintergründen und Interviews sehen zu können. Michael Polle nannte weitere interessante Aspekte in Bezug auf „Babylon Berlin“: Es ist eine digitale Produktion über eine analoge Zeit, ca. 180 verschiedene Locations wurden hintereinander genutzt, dabei aber parallel von mehreren Teams abgedreht.  

Nachtrag: „Die Weltpremiere des gemeinsamen Serienprojekts ist für den 28. September 2017 im Berliner Ensemble geplant. Das legendäre Haus am Schiffbauerdamm, das mit Brechts „Dreigroschenoper“ in denselben Jahren Erfolge feierte, in denen „Babylon Berlin“-Kommissar Gereon Rath ermittelt, bietet den idealen Rahmen für die Uraufführung. In der Serie spielt zudem ein großer politischer Attentatsversuch im Berliner Ensemble. Am 2. Oktober folgt dann die Österreich-Premiere in Wien. Die Erstausstrahlung – in Blöcken von je zwei Serienfolgen – erfolgt ab dem 13. Oktober 2017 exklusiv auf Sky; Ende 2018 dann im Ersten.“ (Pressemitteilung)

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